Im Gespräch mit Nils Döse
Nils Döse habe ich zunächst selbst als Patientin kennengerlernt. Sehr schnell habe ich verstanden, dass sich sein Vorgehen von dem anderer Physiotherapeuten deutlich unterscheidet: Er bringt die Erfahrung und Expertise eines Leistungssportlers, eines Physiotherapeuten und eines Naturheilkundlers zusammen und hat sein Wissen durch einige Jahre im Medizinstudium vervollkommnet.
Seine Fragen, seine Beobachtungsgabe und Behandlungstechniken zeigen, wie sehr er sich in seine Patient*innen hineindenkt und wie ganzheitlich er sich für die Genesung seiner Patient*innen einsetzt. Und dabei ist er einfach noch super nett.
Nils Döse ist Physiotherapeut, Osteopath, Heilpraktiker und Sportler — er betrachtet seine Patienten ganzheitlich und fokussiert sich auf das Wesentliche!
Sein Ansatz zeichnet sich dadurch aus, dass er klassische, oft passive, manuelle Therapien, wie z.B. die Osteopathie mit seiner Leidenschaft für den Leistungssport und der damit verbundenen Trainingswissenschaft verbindet. Er nimmt sich viel Zeit, erklärt viel und nimmt spezifische Übungen auch mal für Klienten auf Video auf. Sein Ziel ist es, Klient*innen in die Selbstverantwortung zu begleiten.
Aus diesen Gründen habe ich Nils gefragt, ob er in einem Experteninterview sein Wissen mit uns teilt. Dabei liegt der Fokus auf der Atem- und Stimmgesundheit. Denn aufgrund von viel Stress und gleichbleibenden Sitztätigkeiten neigen viele von uns zu Verspannungen. Das kann zu Einschränkungen in der Atmung und Stimme führen, da z.B. Kiefer, Kehle und Nacken verspannt sind. Doch was können wir im Arbeitsalltag bzgl. unserer Haltung tun, um unseren Atem und unsere Stimme zu unterstützen?
Sehr viele Personen beklagen Verspannung im Rücken, Nacken und Kiefer. Das wird durch viele Sitztätigkeiten verursacht und befördert. Du behauptest, dass es kein falsches Sitzen gibt! Wie meinst Du das?
Nils Döse: Aus meiner Sicht und Erfahrung ist es nicht grundsätzlich das Sitzen, wie oft behauptet wird. Es ist die Monotonie, also das lange Verharren in einer Haltung. Ein Muskel, der über lange Zeit gleichbleibend angespannt ist (isometrische Muskelkontraktion), wird nicht ausreichend gut durchblutet. Die Folge sind biochemische Veränderungen durch eine Sauerstoffunterversorgung. Diese Unterversorgung führt folglich zu einer Gefahrenmeldung an das Gehirn. Das Gehirn verarbeitet und interpretiert die Meldung und reagiert bei ausreichend bedrohlicher Beurteilung, zum Beispiel mit einer muskulären Antwort in Form von starkem Muskelhartspann (Fluchtreflex). Die Position, in der sich der Mensch befindet, ist dabei egal, nur sollte sie nicht zu lange bestehen und gleichbleibend sein.
Die Monotonie an vielen Arbeitsplätzen ist offensichtlich und auch nicht leicht zu verhindern. Jedoch ist kein Stuhl und auch kein anderer Mensch im normalen Alltag primär dafür verantwortlich, dass ich Verspannungen oder Schmerzen habe. Der erste Schritt ist also die Selbstreflexion und Selbstverantwortung, Übungen einzubauen und für Veränderung zu sorgen. Im zweiten Schritt können z.B. höhenverstellbare Schreibtische und Stühle enorm helfen, die dabei unterstützen variantenreich zu sitzen.
Was sind denn Deiner Erfahrung nach Verhaltensweisen, die schädlich für Körper, Atem und Stimme sind, aber vielen unter Umständen gar nicht bewusst sind?
Nils Döse: Ganz klar: Monotonie, also keine Abwechslung! Der Körper passt sich exakt so an, wie er benutzt oder eben nicht benutzt wird. Sowohl der Körper, als auch der Atem und folglich die Stimme benötigen Training und das ganz besonders, wenn man ambitionierte Ziele hat. Wenn man z.B. Sänger oder ein guter Moderator werden möchte. Ich kann hohe und tiefe, genauso wie laute und leise Töne für das Sprechen und Singen trainieren. Dafür benötige ich unterschiedliche Kapazitäten von Luft in meinen Lungenflügeln und um diese zu mobilisieren ist eine bewegliche Brustwirbelsäule einschließlich Rippenbogen unumgänglich. Wenn das Zwerchfell nicht frei schwingt, vermindert das die Vielfalt und Effizienz von Atmung und Stimme. Eine flache Atmung hat Auswirkungen auf den Austausch von Kohlendioxid und Sauerstoff. Das führt wiederum zu biochemischen Stress und zu einer Schutzreaktion, die vom Gehirn oft mit Muskelhartspann oder sogar Schmerz beantwortet wird.
Was habe ich im normalen Arbeitsalltag für Möglichkeiten meine Atem- und Stimmgesundheit zu befördern? Hast Du eine kleine Übungen für uns, die wir auch im Büro machen können?
Nils Döse: Ja eine Übung, die ich mit meinen Klienten sehr oft übe, ist die Leiteratmung. Denn jeder „Gesunde“ sollte in der Lage sein, seinen Atem in verschiedene Richtungen und Körperregionen zu schicken. Es sollte möglich sein isoliert, in den Bauch nach vorne, in den Brustkorb seitlich und in die obere Thoraxapertur zu atmen. Viele Menschen können oft nur eine Richtung gut. Bei nicht ausgeglichenen Menschen ist das oft eine flache Brustkorbatmung.
So funktioniert die Übung: Lege also deine Hände abwechselnd auf den Bauch, seitlich an den Brustkorb und auf deine Schlüsselbeine bzw. die obere Brust, atme jeweils 3-4 mal tief durch die Nase ein und durch Mund oder Nase langsam ruhig aus.
Übe in den Bereichen besonders intensiv, wo keine oder nur sehr wenig Bewegung stattfindet oder wo Seitenunterschiede zwischen links und rechts spürbar sind. Dazu kannst Du den Druck der Hände verstärken (sensorischer Reiz). Atme also zu dem Handdruck hin, wo du die Einschränkung feststellst.
Häufig fällt es uns ja sehr schwer, überhaupt daran zu denken, es umzusetzen. Hast Du Tipps aus Deiner Erfahrung als Sportler und Therapeut, wie wir ohne großen Aufwand und möglichst kostengünstig eine nachhaltige Verhaltensveränderung erzielen können?
Nils Döse: Der erste Schritt ist, dass sich eine Person bewusst machen muss, dass ein bestimmtes Verhalten verändert werden sollte. Das hat viel mit Selbstreflektion zu tun und kann auch anstrengend für eine Person sein. Deshalb sollte es ein klar definiertes Ziel und Gründe für dessen Erreichung geben.
Mein Tipp ist deshalb jeden Abend 2 Minuten den Tag zu reflektieren, um sich positive und negative Verhaltensweisen aufzuschreiben. An den negativen sollte man in Form von kleinen Schritten (1% Methode) arbeiten. Dabei hilft es schon bestehende Routinen zu nutzen und diese mit dem wünschenswertem Verhalten zu koppeln.
Zwei Beispiele:
Immer wenn ich mir ein Glas Wasser einschenke, atme ich tief in den Bauch.
Immer wenn ich mir die Zähne putze, lockere ich im Anschluss meinen Kiefer.
In wie fern sind denn die Themen Stimme und Kommunikation für Dich und Deine Arbeit wichtig? Wo siehst Du Zusammenhänge? Warum findest Du das Thema Stimme spannend?
Nils Döse: Sehr allgemein gesprochen, bedauere ich es immer, wenn es Menschen gibt, die aus Mangel an Selbstbewusstsein in unserer Gesellschaft oft nicht die Chance ergreifen, Ihre Stimme zu erheben. Klare und deutliche Kommunikation und auch der Klang der Stimme können, glaube ich, dabei helfen, die Welt und einzelne Schicksale zu verbessern. Deshalb schätze ich deine Arbeit, Julia, sehr und verfolge es mit großem Interesse. Ich könnte die Gegenfrage stellen: was ist im Zusammenleben mit Menschen, egal in welchem Bereich, nicht Kommunikation? Ich glaube fest daran, dass mit einer guten Kommunikation — eine klare Stimme gehört für mich untrennbar dazu — nahezu jedes Problem gelöst werden kann bzw. viele Probleme erst gar nicht auftauchen würden.
In meinem Bereich erlebe ich immer wieder, dass Klienten nur als Patienten oder noch schlimmer als Diagnosen gesehen werden. Ein Grund dafür ist aus meiner Sicht, dass z.B. ein ausführliches, ergebnisorientiertes Aufklärungsgespräch häufig nicht stattfindet. Das würde die Beziehung zwischen Arzt und Patient verbessern und Patienten könnten ihr eigenes Leiden besser verstehen. Wenn ich nicht weiß bzw. begriffen habe, was mir genau fehlt oder was der Grund für mein Leid ist, kann ich z.B. auch nicht mein Verhalten ändern, was mit dazu beigetragen hat. Kommunikation, so zeigen auch viele wissenschaftliche Studien, ist also annähernd ALLES.
Vielen Dank, Nils für Deine spannenden Gedanken und Impulse!
Sind Sie neugierig auf Nils Döse und seine Arbeit neugierig geworden? Möchten Sie Nils als Physiotherapeuten kontaktieren? Zögern Sie nicht ihm zu schreiben. Er ist in München ansässig.
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